Das Leben Jesu Christi


Das

Leben Jesus Christi

von Ellen G. White


dritte amerikanische Ausgabe, 1888/89



Der Erlösungsplan

Der Sündenfall des Menschen füllte den ganzen Himmel mit Trauer. Die Welt, die Gott gemacht hatte, war vom Fluch der Sünder berührt und von Wesen bewohnt, deren Los Elend und Tod war. Es schien keinen Ausweg für diejenigen zu geben, die das Gesetz übertreten hatten. Die Lobgesänge der Engel verstummten, und durch die ganzen Himmelsräume war Trauer wegen des Ruins, den die Sünde gebracht hatte.

Der Sohn Gottes, der glorreiche Himmelsfürst, war mit Mitleid für das gefallene Geschlecht erfüllt. Sein Herz war voll Erbarmen, als das Elend und Wehe der verlorenen Welt vor seinen Augen aufstieg. Aber die göttliche Liebe hatte einen Plan ersonnen, durch welchen die Menschheit erlöst werden könnte. Jesus selbst nahm sich vor seinem Vater der Sünder an, indem er sich anbot, sein Leben als Lösegeld zu geben und das Todesurteil auf sich zu nehmen, damit Adam und seine Nachkommenschaft durch das Verdienst seines Blutes die Gunst ihres Schöpfers wiedererlangen und ins verlorene Paradies eingesetzt werden möchten.

Wer kann das Opfer ermessen, welches der unendliche ewige Gott brachte, indem er einwilligte seinen innigst geliebten Sohn herzugeben! Der Erlösungsplan war schon vor Erschaffung der Erde gelegt worden; denn Christus ist das Lamm, “das erwürgt ist von Anfang der Welt.” (Offenb. 13,8) Doch kostete es selbst den König des Weltalls einen Kampf, seinen Sohn dahin zu geben, um für das schuldige Menschengeschlecht zu sterben. Aber “also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.” (Joh. 3,16)  O, das Geheimnis der Erlösung! Die Liebe Gottes für eine Welt, die ihn nicht liebte! Wer kann die Tiefen jener Liebe ergründen, “die alle Erkenntnis übertrifft?” (Eph. 3,19) Durch alle Ewigkeit werden unsterbliche Wesen bewundernd und anbetend das Geheimnis jener unbegreifliche Liebe zu erfassen trachten.

Gott war in Christus offenbart und “versöhnte die Welt mit ihm selber.” (2. Kor. 5,19) Der Mensch war durch die Sünde so herabgewürdigt, daß es für ihn unmöglich war, in und durch sich selbst wieder in Harmonie mit I h m  zu kommen, dessen Natur Reinheit und Güte ist. Christus aber konnte, nachdem er den Menschen von der Verdammung des Gesetzes erlöst hatte, göttliche Kraft mitteilen, um sie mit menschlichem Bestreben zu verbinden. So konnten die gefallenen Kinder Adams durch Buße gegen Gott und Glauben an Christus noch einmal “Kinder Gottes” (1. Joh. 3,2) werden.

Der Plan, nach welchem allein des Menschen Rettung gesichert werden konnte, verwickelte den ganzen Himmel in das unendliche Opfer, welches er erheischte. Die Engel konnten sich nicht freuen, als Christus ihnen den Erlösungsplan eröffnete; denn die Rettung der Menschen mußte ihrem geliebten Gebieter unaussprechliches Wehe verursachen. Mit welchem Kummer und welcher Bewunderung lauschten sie seinen Worten, als er ihnen sagte, wie er den Himmel mit seiner Reinheit und seinem Frieden, seiner Freude und Herrlichkeit und unsterblichem Leben verlassen, und in Berührung mit der Versunkenheit der Erde kommen müsse, um ihren Kummer, ihre Schande und ihren Tod zu ertragen. Es mußte in demütiger Knechtsgestalt auf Erden erscheinen und durch eigene Erfahrung mit den Sorgen und den Versuchungen, welche der Mensch zu ertragen haben würde, bekannt werden. Alles dieses würde notwendig sein, um ihn zu befähigen denjenigen zu helfen, die versucht werden würden. Er mußte den Händen gottloser Menschen übergeben und allen möglichen Beschimpfungen und Qualen ausgesetzt werden, die sie, von Satan geleitet, nur erdenken konnten. Er mußte den grausamsten Tod erleiden, als schuldiger Sünder zwischen Himmel und Erde hängend. Er sollte Seelenangst ausstehen; da seines Vaters Angesicht ihm verborgen sein würde, während die Schuld der Übertretung, - das Gewicht der Sünden der ganzen Welt, - auf ihm ruhen würde.

Wie gerne würden die Engel anstatt ihres Gebieters gestorben sein, wenn das Opfer zu Gunsten der Menschen hätte angenommen werden können. Aber nur  E r , der den Menschen geschaffen, hatte Macht ihn zu erlösen. Doch sollten auch die Engel Anteil am Erlösungswerke haben. Christus sollte “eine kleine Zeit” niedriger sein als die Engel. (Hebr. 2,9; 1,14)  Da er die menschliche Natur auf sich nehmen sollte, sollten sie ihm in seinen Leiden dienen. Sie waren auch “dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit.” (Hebr. 2,9; 1,14)  Sie sollten die Empfänger der Gnade von der Macht der bösen Engel und vor der Finsternis, mit der Satanas sie zu umgeben sucht, schützen und beschirmen.

Durch seinen Tod würde Christus viele erlösen und  d e n zerstören, der die Macht des Todes hat. Er würde das Reich wieder erwerben, welches der Mensch durch seine Übertretung verloren hatte, und die Erlösten würden es mit ihm erben und für immer darin wohnen. Sünder und Sünde würden vernichtet, um nie wieder den Frieden des Himmels oder der Erde zu stören.

Ist es ein Wunder, daß Freude, unaussprechliche Freude, den Himmel füllte! Die Herrlichkeit und Seligkeit einer verlorenen Welt überstieg selbst den Schmerz und das Opfer des Fürsten des Lebens. Durch die Himmelshallen tönten die ersten Klänge jenes Gesanges, der über die Hügel zu Bethlehem hinaushallen sollte, - “Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen.” (Luk. 2,14)  Mit noch höherer Freude, als im Entzücken über die neue Schöpfung, lobten jetzt “die Morgensterne” den Herrn “und jauchzten alle Kinder Gottes.” (Hiob 38,7)

Nur der Sohn war im Stande, den Abgrund zu überbrücken, welchen die Sünde verursacht hatte. Nur durch seinen Tod konnte der Mensch erlöst und der Gerechtigkeit  Gottes Genüge geleistet werden. Christus war der Erste nach dem großen Gesetzgeber. Sein Leben war das einzige Opfer von hinreichenden Werte, um zu Gunsten der Menschen den Ansprüchen des vollkommenen Gesetz Gottes Genüge leisten zu können.

Der Mensch war nicht im Stande für Menschen Genugtuung zu leisten. In seinem gefallenen sündhaften Zustande konnte er nur ein unvollkommenes Opfer sein; ein Opfer von noch geringerem Werte als Adam es vor dem Sündenfalle war. Gott erschuf den Menschen vollkommen und rechtschaffen, und nach seiner Übertretung konnte er kein Opfer für ihn annehmen, das weniger wertvoll war, als der Mensch in seiner Unschuld und Vollkommenheit.
Die Engel waren sündenlos, aber von geringerem Werte als das Gesetz Gottes. Als erschaffene Wesen, die eine Probezeit zu bestehen hatten, waren sie denselben unterworfen Sie waren Boten, um den Willen Christi auszuführen und sich vor ihm zu beugen.

Christus, ob (obwohl) er wohl in göttlicher Gestalt war, hielt er es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein. Er war das vollkommene Ebenbild seines Vaters nicht nur in der äußeren Erscheinung, sondern auch in Bezug auf die Vollkommenheit seines Charakters. Auf Christus ruhten keine Verpflichtungen; er stand über dem Gesetze und mithin auch über den Engeln. Den Menschen selbst übertraf er in seinem Werte in dem Maße, als sein edler, fleckenloser Charakter und seine erhabene Stellung als Gebieter der himmlischen Heerscharen den Charakter und die Stellung des Menschen übertraf. Christus hatte mit dem Vater zusammengewirkt bei der Erschaffung des Menschen und als das Geschlecht durch Übertretung fiel, hatte er die Macht, für dessen Sünden Genugtuung zu leisten, die Menschen wieder aufzurichten und zu ihrem ursprünglichen Zustande zurückzuführen.

Christus hatte die Macht, sein Leben zu lassen und es wieder zu nehmen; es ruhete jedoch keine Verpflichtung auf ihm, das Werk der Versöhnung zu unternehmen. Es war ein freiwilliges Opfer, das er brachte. Unendliche Liebe und staunenswerte Barmherzigkeit bewogen ihn zu jenem Opfer, welches einem gefallenen Geschlechte die Türe der Hoffnung wieder öffnete.

Die Opfergaben und das Priestertum des jüdischen Systems waren sinnbildlich, angeordnet um den Tod und das Mittleramt Christi darzustellen. Alle diese Zeremonien hatten nur Sinn oder Wert in ihrer Beziehung zu Christus, welcher selbst die Grundlage und der Begründer des ganzen Systems war. Von Adam an bis zur Zeit, als die jüdische Nation ein eigentümliches und ausgesondertes Volk wurde, waren die Verehrer Gottes über den erwarteten Erlöser, den ihre Opfergaben vorstellten, belehrt worden. Der Herr (= JAHWEH) hatte es Adam, Abel, Seth, Henoch, Noah, Abraham und anderen alten frommen Männern, besonders Mose bekannt gemacht, daß das zeremonielle System der Opfer und das Priestertum nicht an und für sich zur Rettung auch nur einer Seele genügend sei. Jene Vorbilder und Zeichen wiesen bloß auf Christus hin. Durch sie sahen die alten frommen Männer Christus und glaubten an ihn. Sie sollten jedoch nur bis zur Zeit, da das vollkommene Opfer dargebracht würde, fortbestehen.

Das System der Opfergaben wurde göttlicherseits verordnet, um die durch die Sünde verursachte furchtbare Trennung zwischen Gott und den Menschen und die Notwendigkeit eines vermittelnden Priestertums dem Volke beständig vor Augen zu führen. Der mit seiner Schuld belastete Sünder konnte, da er des notwendigen Verdienstes entbehrte, nicht in eigener Person vor Gott treten. Aber ein Weg wurde jetzt gebahnt, auf welchem er durch die Vermittlung eines Anderen wieder Zutritt zu Gott gewinnen konnte. Das irdische Priestertum sollte das Priestertum Christi vor(be)deuten, welcher selbst als Vermittler zwischen dem Allerhöchsten und seinem Volke stehen sollte. Christus war vollkommen, ohne Fehl und Flecken, unbefleckt von Sünde. Er allein von allen, die je auf der Erde wohnten, konnte sagen: “Welcher unter euch kann mich einer Sünde zeihen (überführen)?” Joh. 8,46. Die Verbindung zwischen Gott und den Menschen, welche wegen Adams Sündenfall abgeschnitten war, konnte in Christus wieder hergestellt werden. Sein Amt und Werk sollten in Würde und Herrlichkeit bei weitem das irdische, typische Priesteramt übertreffen.

Die ganze Tragweite der schrecklichen Folgen der Sünde wäre nie völlig bekannt geworden, wenn nicht das dafür bestimmte Heilmittel von unendlichem Wert gewesen wäre. Der ungeheure Preis, welcher die Erlösung des gefallenen Menschen erkaufte, - indem der Fürst des Himmels, gleichstehend mit dem Vater, sein Leben für ein abtrünniges Geschlecht hingibt, - bleibt ein Geheimnis, über welches sie nicht völlig zu begreifen im Stande sind.

...

Die Bergpredigt

Der Erlöser der Welt suchte seine Lehren so einfach als möglich zu machen, so daß alle seine Zuhörer im Stande wären, ihn zu verstehen. Wenn er oft in Städten oder im Tempel lehrte, so geschah dieses nur, weil der dadurch eine Klasse zu erreichen suchte, die er wohl kaum unter freiem Himmel getroffen hätte; da Jesus selbst die Felder, Haine und Seegestade als seine Tempel wählte. Dieses waren auch seine Lieblingsplätze zum Nachdenken und Gebet.

Er hatte besondere Gründe, diese hehren Tempel der Natur aufzusuchen, um dort das Volk zu unterweisen. Vor ihm lag die Landschaft ausgebreitet, mit ihren reichen Szenen und ihren sowohl dem Hochstellten, wie dem Niedrigen bekannten Gegenständen. Von diesen zog er Gleichnisse, welche seine Lehren vereinfachten, und dieselben dem Gemüte seiner Zuhörer tief einprägten. Die Vögel, die in den belaubten Zweigen sangen, die prächtigen Blumen des Tales, die fleckenlose Lilie am Busen des Sees, die himmelanstrebenden Bäume, die fruchtbaren Gefilde, das wogende Getreide, der unfruchtbare Boden, der Baum, der keine Früchte trug, die erhabenen Berge, die sprudelnden Bäche, die untergehende Sonne, die mit ihren Strahlen den Himmel färbte und vergoldete: Alles diente als Mittel zum Unterricht, als Sinnbilder zur Darstellung der Schönheiten der göttlichen Wahrheit. Er verband die sichtbaren Werke des Schöpfers mit den Worten des Lebens, die er sprach, und führte so das Gemüt von der Betrachtung der Natur zu dem Urheber derselben.

Der Haß der Juden war in Folge des am Sabbat gewirkten Wunders der Heilung des Mannes mit der verdorrten Hand so groß geworden, daß Jesus sich mit seinen Jüngern nach einem günstigeren Arbeitsfelde zurückzog. Sie begaben sich nach dem Gestade des galiläischen Meeres, und große Mengen folgten ihm nach, denn dieses neue am Sabbat gewirkte Wunder wurde in der ganzen Gegend bekannt. Während Jesus lehrte, wurde viele Kranke und von bösen Geistern Besessene zu ihm gebracht, und er heilte sie. Sein großes liebendes Herz wurde mit göttlichem Mitleide für die armen Leidenden erfüllt, von denen viele nur in seine Nähe zu kommen suchten, um ihn zu berühren, indem sie dadurch geheilt zu werden glaubten. Und sie wurden in ihren Erwartungen nicht getäuscht, denn die im Glauben unternommene Berührung lenkte die heilende Kraft des großen Arztes auf sie, und ihre Leiden und Niedergeschlagenheit wurden in Freude und Dankgebete verwandelt. Er trieb auch viele böse Geister aus, welche beim Ausfahren aus ihren Opfern Christus (an)erkannten), indem sie sagten: “Du bist der Sohn Gottes.” Markus 3,11.

Das galiläische Volk wurde gewaltig aufgeregt und kam scharenweise zum Heiland. Schließlich vermehrte sich die Menge derart, daß ihm kaum Platz zum Stehen übrig blieb; er bestieg deshalb ein kleines Schiff, das unweit des Ufers vor Anker lag, und predigte aus demselben der am Gestade versammelten Menge. Auf diese Weise wirkte er ununterbrochen, indem er das Volk lehrte und die Kranken heilte. War aber der Tag zu Ende, so verbarg er sich in der Einsamkeit des Gebirges, um in aller Stille mit seinem Vater zu verkehren. Jesus brachte die ganze Nacht im Gebete zu, während seine Jünger am Fuße des Berges schliefen. Mit dem Morgengrauen kam er, sie aufzuwecken. Die Jünger sollten nun ein Amt von heiliger Verantwortlichkeit empfangen, das nur Christi eigenem Amte an Bedeutung nachstand. Sie sollten für das große Werk des Evangeliums ausgesondert und mit Jesu verbunden werden, sollten seine Freuden und Leiden teilen, seine Lehren empfangen, und treue Zeugen seiner mächtigen Werke sein, und dadurch tüchtig werden, die ihnen erteilten Unterweisungen der Welt zu lehren. Sie sollten derart mit der Wahrheit vertraut werden, daß Jesus zu Zeiten sie allein aussenden könnte, zu lehren und zu wirken, gerade wie er selbst lehrte und wirkte. Jesus wünschte, daß seine Jünger eine Erfahrung im Dienste des Evangeliums gewinnen sollten, während er noch auf Erden weilte und sie persönlich trösten und stärken konnte, so daß sie im Stande sein würden, das Werk nach seinem Tode erfolgreich fortzusetzen und die Grundlage der christlichen Gemeinde zu legen.

Während Jesus seine Jünger auf ihre Einsegnung vorbereitete, und sie in ihren Pflichten bezüglich des großen Werkes, das vor ihnen lag, unterwies, drängte sich Judas unter sie. Er beteuerte Jesu seine Ergebenheit auf’s feierlichste, und bot sich als Jünger an, indem er sagte: “Meister, ich will dir folgen, wo du hingehst.”  Jesus empfing ihn weder freudig, noch wies er ihn ab, sondern sprach zu ihm in schmerzlicher Rührung: “Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nicht, da er sein Haupt hinlege.” Matthäus 8,19f.  Judas war selbstsüchtig, und sein Hauptzweck, warum er in Verbindung mit Christus treten wollte, war die Hoffnung auf irdische Vorteile, die ihm daraus erwachsen würden; aber Christi Hinweisung auf seine eigene Armut, indem er seine Lage mit derjenigen der Füchse und der Vögel verglich, bezweckte, irgend eine Hoffnung Judas’, durch eine Vereinigung mit Christus sich irdischen Gewinn zu erwerben, abzuschneiden. Judas war ein Mann von anerkannter praktischer Fähigkeit, und im Besitze eines nicht geringen Einflusses. Aus diesen Gründen wünschten die Jünger, daß er unter ihre Zahl aufgenommen würde. Sie empfahlen ihn Jesu auf’s wärmste, als jemand, der viel zur Förderung seines Werkes beitragen könnte. Sie waren deshalb erstaunt über den kalten Empfang, der ihm zu Teil wurde; aber der Herr las das Innere von Judas und kannte seinen Charakter. Und doch wünschte Jesus diesen Mann mit sich zu verbinden, daß er mit seiner göttlichen Botschaft bekannt werde und moralische Kraft gewinne, die Fehler seines Charakters zu verbessern, und eine vollständige Herzensänderung zu erfahren, welche sein ewiges Heil sichern würde. Mit Christi Hilfe hätte er dieses erlangen können.

Hätte Jesus den Judas zurückgewiesen, so würden die Jünger, die ihn mit solcher Gunst betrachteten, die Weisheit ihres Meisters in Frage gezogen haben. Indem er ihn aufnahm, vermied Jesus dieses, und brachte den selbstsüchtigen und geizigen Judas in die günstigste Lage, diejenigen Eigenschaften des Gemütes und Herzens zu entwickeln, die ihm schließlich einen Platz in dem Himmelreich hätten sichern können. Aber trotz dieser kostbaren Gelegenheiten wählte Judas eine Laufbahn, die ihn mit ewiger Schmach bedeckte.

Jesus sammelte seine Jünger um sich, kniete in ihrer Mitte nieder und, indem er seine Hände auf ihr Haupt legte, betete er und weihte sie zu ihrem heiligen Werke. So wurden die Jünger des Herrn als Verkünder des Evangeliums eingesetzt. Nachdem dieses geschehen (war), kehrte Jesus mit seinen Begleitern nach dem Gestade zurück, wo die Menge sich schon ansammelte, in zu hören. Viele derselben waren dort, um von dieser oder jener Krankheit geheilt zu werden. Hier heilte Jesus die Kranken und tröstete die Trauernden, bis die Menge so angewachsen war, daß auf dem engen Strande kein Platz mehr für sie war. Jesus begab sich daher nach einer auf dem nahen Berge gelegenen Ebene, wo das Volk sich lagern konnte. Jesus rief seine Jünger zu sich, auf daß die großen Wahrheiten, die er verkündigte, unauslöschlich ihrem Gedächtnisse eingeprägt würden, und daß nichts ihre Aufmerksamkeit von seinen Worten abziehen sollte.

Obgleich seine Jünger sich dicht bei ihm befanden, und seine Worte sich besonders an sie zu wenden schienen, waren sie doch auch bestimmt, die Herzen und Gewissen der gemischten dort versammelten Menge zu erreichen. Bei jeder solchen großen Ansammlung erwartete das Volk noch immer, daß Jesus als Herrscher des neuen Reiches, von dem er gesprochen (hatte), eine große Macht entfalten würde. Die gläubigen Juden erwarteten von ihm, daß er sie von ihrem Joche der Knechtschaft befreie und wiederum in ihre alte Herrlichkeit einsetze. In seiner Bergpredigt vereitelte jedoch Christus ihre Hoffnungen auf irdische Herrlichkeit. Matth. 5-7. Er eröffnete seinen Vortrag mit der Feststellung der Grundsätze, die in seinem Reiche der göttlichen Gnade maßgebend sein sollten, wie sie in den verschiedenen Seligpreisungen enthalten sind.

“Selig sind, die da geistlich arm sind; denn das Himmelreich ist ihr.” Matthäus 5,3. Die Armen im Geiste sind jene, welche keinen Anspruch auf persönliche Verdienste machen und sich nicht ihrer eigenen Tugenden rühmen. Ihre gänzliche Hilflosigkeit einsehend, und von ihrer Sündhaftigkeit aufs tiefste überzeugt, setzen sie kein Vertrauen in bloße äußere Zeremonien, sondern verlassen sich auf Jesus, der allgerecht und allerbarmend ist. Der wahre Christ kann sich nur durch Demut erheben. Die stolzen Herzen bestreben sich umsonst, ihr Heil durch gute Werke zu erlangen; denn, obgleich man ohne gute Werke nicht gerettet werden kann, genügen dieselben doch nicht, das ewige Leben zu gewinnen. Nachdem der Mensch sein Möglichstes getan hat, muß Christus ihm doch seine eigene Gerechtigkeit zurechnen.

In Christus hat Gott des Himmels beste Gabe verliehen, den Menschen zu erlösen, und wie die Gabe voll und unendlich ist, so ist die rettende Gnade grenzenlos und allgenügsam. Dieser Ausspruch Christi griff die Selbstgerechtigkeit der Pharisäer bei der Wurzel an, da sie sich als schon reich in geistiger Weisheit erachteten, und kein Bedürfnis, nach weiterer Erleuchtung fühlten. Menschen von solcher Gesinnungsweise konnten keinen Anteil am Himmelreiche haben.

“Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.” Matthäus 5,4.  Indem Jesus einen Segen über die Trauernden aussprach, beabsichtigte er nicht zu lehren, daß eine Tugend darin bestehe, beständig betrübt zu sein, oder daß selbstsüchtiges Trauern und Klagen an sich das Verdienst hätte, einen einzigen Sündenfleck zu entfernen. Das Leid tragen, von dem Christus spricht, ist eine göttliche Traurigkeit über begangene Sünden, welche eine Buße bewirkt, die zum ewigen Leben führt. Viele trauern, wenn ihre Schuld entdeckt wird, weil die Folgen ihres bösen Wandels sie in eine unangenehme Lage gebracht haben. So trug Esau Leib über die Sünde, seine Erstgeburt verachtet und verkauft zu haben; es waren jedoch die unerwarteten Folgen jener Sünde, die seine Trauer verursachten. So bereute Pharao seinen eigensinnigen Trotz gegen Gott, da er bat, die Plagen möchten von ihm entfernt werden; sein Herz blieb jedoch unverändert, und er war bereit, sein Verbrechen bei der nächsten Versuchung zu wiederholen. Solche Trauer ist nicht zur Buße.

Wer wahrhaftig von seiner Sündhaftigkeit überzeugt ist, fühlt, daß er sein ganzes Leben in fortwährender Undankbarkeit zugebracht hat. Er fühlt, daß er seinen besten Freund der Zeit und Kraft beraubt hat, welche um einen unendlichen Preis für ihn erkauft wurde. Seine ganz Seele ist mit unaussprechlicher Trauer erfüllt, daß er seinen erbarmenden Erlöser gering geachtet und gekränkt hat. Eine solche Trauer ist kostbar, denn sie schaffet die friedsamen Früchte der Gerechtigkeit. Der Weltmensch mag von seinem Standpunkte diese Betrübnis als Schwäche bezeichnen; sie ist jedoch die Kraft, welche den Bußfertigen durch unauflösliche Bande mit dem Unendlichen verbindet. Sie bekundet, daß die Engel Gottes seiner Seele die Tugenden zurückbringen, die durch Verhärtung des Herzens und Übertretungen verloren gegangen waren. Seine Fehler bekennen und bereuen legt Zeugnis von einer Vortrefflichkeit des Charakters ab, die auch fähig ist, sie zu erkennen und zu verbessern. Die Tränen der Bußfertigen sind bloß die Wolken und Regentropfen, welche dem Sonnenschein der Heiligung vorangehen; die Trauer, welche eine Freude verkündet, die eine lebendige Quelle in der Seele sein wird. Die Menschen säen in Gottes großem Felde mit Mühe und Tränen, aber auch mit geduldiger Erwartung; und sie werden gesegnet werden, denn die Himmel werden sich öffnen, der Regen wird fallen und eine reichliche Ernte sichern. Dann, wenn der Schnitter kommt, wird er mit Freuden seine Garben in seine Scheune sammeln.

“Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.” Matthäus 5,5.  Die Schwierigkeiten auf dem Pfade des Christen können durch jene Sanftmut des Charakters, welche sich in Christus birgt, gar sehr vermindert werden. Jesus läßt alle, die mühselig und beladen sind, die Einladung ergehen, zu ihm zu kommen, der da ist sanftmütig und von Herzen demütig, und er verspricht, sie zu erquicken. Wenn der Christ die Demut seines Meisters besitzt, so wird er sich über die Geringschätzung, Zurückweisung und alle jene Widerwärtigkeiten, denen er täglich ausgesetzt ist, hinwegsetzen, und dieselben werden nicht mehr im Stande sein, einen Schatten auf sein Gemüt zu werfen. Jene Sanftmut, die Jesus selig pries, ist wirksam im häuslichen Kreise; sie gestaltet das Heim zu einem glücklichen, verhindert Streitigkeiten, macht keine zornigen Erwiderungen, sondern besänftigt das aufgeregte Gemüt, und offenbart sich in einer Freundlichkeit, die von allen in ihrem wonnigen Kreise gefühlt wird. Sie beruhigt den aufflammenden Geist der Wiedervergeltung, und spiegelt den erhabenen Charakter Christi ab (wieder).

Es wäre bei weitem besser für die Christen, unter falschen Anklagen zu leiden, als sich mit der Qual der Wiedervergeltung gegen ihre Feinde zu belasten. Haß und Rache werden vom Satan gestiftet, und bringen diejenigen, die sie üben, bloß Gewissensbisse. Demut des Herzens ist die Kraft, welche dem Christen den Sieg verleiht. Seine Belohnung ist die Erbschaft der Herrlichkeit.

“Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.” Matthäus 5,6. Wie der Körper die Notwendigkeit der zeitlichen Nahrung zum Ersatze für die verbrauchten Kräfte, und zur Erhaltung der Körperstärke fühlt, so sollte die Seele sich nach derjenigen geistigen Nahrung sehnen, welche die sittliche Kraft vermehrt und das Sehnen des Gemütes und des Herzens befriedigt. Wie der Körper beständig solche Nahrung aufnimmt, welche das Leben und die Kraft erhält, so sollte auch die Seele beständig jene himmlische Nahrung empfangen, die dem geistigen Menschen Muskeln und Nerven verleiht. Wie der müde Wanderer eifrig nach der Quelle in der Wüste forscht, und, nachdem er sie gefunden hat, seinen brennenden Durst mit ihrem kühlen und perlenden Wasser löscht, gerade so sollte der Christ dürsten und suchen nach dem reinen Wasser des Lebens, von welchem Christus die Quelle ist. Dort kann die Seele befriedigt werden, dort legt sich die fieberische Aufregung, welche im Kampfe des täglichen Lebens erzeugt wird, und der Geist wird beständige Erfrischung finden. Aber die Mehrzahl der Zuhörer Christi hungerten bloß nach irdischen Vorteilen und Ehren. Besonders stand den Pharisäern ihre Selbsterhebung im Wege, die sie davon abhielt, nach größerer Vollkommenheit, als sie schon erstrebt hatten, zu trachten, denn nach ihrer eigenen Ansicht hatten sie bereits den höchsten Gipfelpunkt vollkommener Gerechtigkeit erreicht. Doch befanden sich viele unter den Zuhörern, die dankbar die Lehren Jesu anhörten, und von jener Zeit an ihren Lebenswandel seinen Lehren gemäß einrichteten.

“Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.” Matthäus 5,7. Damit bekämpfte Jesus die Anmaßung und grausame Unduldsamkeit der Juden. Sowohl die Priester, als das Volk, waren in der Regel herrschsüchtig, indem sie mit allen haderten, die anderer Meinung waren, und eine große Empfindlichkeit gegenüber jeder Kritik ihres Tuns an den Tag legten. Jesus sagte deshalb von den Pharisäern: “Ihr verzehntet die Minze und Raute, und allerlei Kohl, und geht vor dem Gericht über, und vor der Liebe Gottes.” Lukas 11,42. Der Heiland wünschte seinen Nachfolgern eine Lehre der Barmherzigkeit einzuprägen, so daß sie jenes zarten Mitgefühles nicht ermangeln sollten, das die Leidenden und Irrenden bemitleidet und unterstützt, und zugleich vermeidet, die Fehler anderer zu vergrößern.

“Selig sind, die reines Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.” Matthäus 5,8. Die Juden waren so genau in Betreff der zeremoniellen Reinheit, daß ihre auf dieselbe bezüglichen Vorschriften äußerst lästig waren. Ihre Gemüter waren derart mit Vorschriften, Verboten, und der Furcht vor äußerer Verunreinigung erfüllt, daß sie die Notwendigkeit der Lauterkeit der Absichten und des Adels der Gesinnung aus dem Gesichte verloren. Sie bemerkten den Flecken nicht, den Selbstsucht, Ungerechtigkeit und Bosheit auf der Seele zurücklassen.

Jesus erklärte, daß die, welche reinen Herzens sind, Gott schauen würden. Sie sollten ihn in der Person seines Sohnes erkennen, der zur Erlösung des menschlichen Geschlechtes zur Welt gesandt worden war. Ihre Gemüter, gereinigt und mit edlen Gedanken beschäftigt, würden den Schöpfer klarer in den Werken seiner mächtigen Hand entdecken, in den schönen und prächtigen Dinge, welche das Weltall ausmachen. Sie würden gleichsam, während der Zeit, die er ihnen hier zumißt, in der sichtbaren Gegenwart des Allmächtigen, in einer Welt seiner Schöpfung leben. Sie sollten Gott aber auch in ihrem zukünftigen, unsterblichen Zustande schauen, wie dies Adam gestattet war, da er im Garten Eden mit dem Schöpfer wandelte und sprach. Sogar jetzt schon sehen die, so reinen Herzens sind, Gott, obwohl  “durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht.” 1. Kor. 13,12.

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Jesus in Galiläa

Die Gefangenen, welche zur Zeit der Auferstehung Jesu aus den Gräbern erweckt wurden, waren seine Siegeszeichen, welche er als Siegesfürst davontrug. Er besiegelte auf diese Weise seinen Sieg über Tod und Grab und gab uns ein Pfand für die Auferstehung aller gerechten Toten. Die aus den Gräbern Gerufenen gingen in die Stadt und erschienen vielen in ihrem auferstandenen Körper und bezeugten, daß Jesus in der Tat von den Toten (auf-) erstanden (ist), und daß sie mit ihm auferweckt worden seien. Die Stimme, welche gerufen hatte: “Es ist vollbracht!” wurde von den Toten gehört. Sie drang durch die Wände der Gräber und rief die Schlafenden heraus. Gerade so wird es sein, wenn Gottes Stimme gehört wird, wie sie Himmel und Erde erschüttert. Jene Stimme wird die Gräber durchdringen und die Grüfte öffnen. Ein gewaltiges Erdbeben wird bewirken, daß das Land taumelt wir eine Trunkener, und dann wird Christus, der König der Herrlichkeit, erscheinen, begleitet von allen himmlischen Engeln. Die Posaune wird ertönen, und der Lebensspender wird die gerechten Toten zu unsterblichen Leben hervorrufen.

Es war den Priestern und Obersten wohl bekannt, daß gewisse Personen, die gestorben waren, bei der Auferstehung Jesu wiederum zum Leben erwachten. Beglaubigte Berichte wurden von verschiedenen Personen zu ihnen gebracht, welche diese Auferstandenen gesehen und mit ihnen gesprochen hatten und vernahmen ihr Zeugnis, daß Jesus der Lebensfürst, den die Priester und Vorgesetzten getötet, von den Toten erstanden sei. Der falsche Bericht, daß die Jünger den Leichnam ihres Meisters aus dem Grabe  geraubt hätten, wurde so eifrig verbreitet, daß gar viele daran glaubten. Durch die Erfindung dieser falschen Nachricht schadeten die Priester sich jedoch selbst, indem alle denkenden Juden, die nicht durch Bigotterie verblendet waren, die Lüge erkannten.

Falls die Soldaten wirklich geschlafen hätten, wäre es ihnen unmöglich gewesen, zu wissen, wie das Grab leer wurde. Wenn auch nur eine einzige Schildwache wach gewesen wäre, so würde sie sicherlich die andern auferweckt haben. Alle kannten die Folgen, die ihrer warteten, falls sie wirklich, wie sie behaupteten, geschlafen hätten. Die Strafe für eine solche Pflichtvernachlässigung war der Tod, und es verblieb gar keine Aussicht auf Begnadigung, so daß die Schuldigen nicht leicht ihre Nachlässigkeit bekannt machten. Hätten die jüdischen Priester und Vorgesetzten die Wachen wirklich schlafend auf ihrem Posten vorgefunden, so würden sie eine gründliche Untersuchung der ganzen Angelegenheit und die volle Strafe des Gesetzes für die ungetreuen Soldaten verlangt haben.

Falls sie selbst im Geringsten an die Wahrheit der den Kriegsknechten eingeschulten Aussagen geglaubt hätten, würden sie die Jünger zur Rechenschaft gezogen und dieselben mit der schwersten Strafe heimgesucht haben. Daß sie dies nicht taten, war ein gründlicher Beweis für die Unschuld der Jünger und zeigte, daß die Priester sich in die traurige Notwendigkeit versetzt sahen, eine Lüge auszudenken und zu verbreiten, um die gegen sie sprechenden Tatsachen, durch welche die Wahrheit von der Auferstehung Jesu und seinen Ansprüchen als Sohn Gottes begründet wurde, zu bekämpfen. Die häufige Erscheinung Jesu bei seinen Jüngern, und die mit ihm auferweckten Toten trugen viel dazu bei, die Wahrheit in die Gemüter derjenigen zu pflanzen, welche zu glauben willens waren.

Diese Erfindung der Juden findet in unserer Zeit eine Parallele; die stolzen Verfolger der Rechtschaffenheit verwenden ihre Zeit, ihren Einfluß und ihr Geld, um die Beweise der Wahrheit zum Schweigen zu bringen oder zu verdrehen; und die widersprechendsten Maßregeln werden ergriffen, um diesen Zweck zu erreichen. Es fehlt nicht an sonst verständigen Leuten, die gierig die lächerlichsten Unwahrheiten hinunterschlucken, weil dieselben mit ihren Herzensmeinungen übereinstimmen. Dieses zeigt uns die traurige Tatsache, daß Gott sie in ihrem verblendeten Gemüte und in ihrer Herzenshärtigkeit verlassen hat. Es gibt unschuldige Personen, welche während einiger Zeit durch das Vertrauen, welches sie in ihre Verführer setzen, irregeleitet werden; wenn sie aber sich unterweisen lassen und von einem ernstlichen Verlangen beseelt sind, die Wahrheit kennen zu lernen, so haben sie auch Gelegenheit, sie zu finden. Zweifel und Ungewißheit werden verschwinden, sie erkennen die Inkonsequenz ihrer falschen Führer; denn sogar der Irrtum gibt ein gezwungenes Zeugnis für die Wahrheit ab.

Die Priester und Obersten lebten in beständiger Furcht, sie möchten, während sie auf der Straße wandelten, oder sogar in ihrem eigenen Hause mit dem wiedererstandenen Christus zusammentreffen. Sie fühlten, daß es keine Sicherheit für sie gab; Riegel und Schlösser schienen nur ungenügende Schutzmittel gegen den erstandene Gottessohn zu sein.

Schon vor seinem Tode hatte Jesus in dem Saale auf dem Söller seinen Jüngern erklärt, daß er nach seiner Auferstehung ihnen voraus nach Galiläa gehen werde; und am Morgen, da er von den Toten auferstanden (ist), hatte der Engel am Grabe zu den Weibern gesagt: “Gehet aber hin, und sagt es seinen Jüngern, und Petrus, daß er vor euch hingehen wird in Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat”! Mark. 16,7.  Die Jünger wurden während der Passahwoche noch in Jerusalem zurückgehalten, denn ihre Abwesenheit würde als Unzufriedenheit und Abfall ausgelegt worden sein. Während dieser Zeit versammelten sie sich jeden Abend auf dem Söller, wo einige ihre beständige Wohnung genommen hatten; Jesus offenbarte sich ihnen hier zweimal und wies sie an, noch einige Zeit in Jerusalem zu verweilen.

Sobald das Passahfest vorbei war, verließen die Brüder Jerusalem und gingen nach Galiläa, wie ihnen gesagt worden war. Joh. 21. Sieben der Jünger waren zusammen, alle in einfache Fischertracht gekleidet; obschon arm an irdischen Gütern, waren sie doch reich in der (Er-) Kenntnis und Ausübung der Wahrheit, wodurch sie in den Augen des Himmels den höchsten Rang als Lehrer einnahmen. Sie hatten keine Studien in der Schule der Propheten gemacht, aber während drei Jahren von dem größten Lehrmeister, den die Welt je gekannt (hat), Unterweisungen genossen. Unter seiner Leitung waren sie veredelt und verständig geworden, passende Werkzeuge, durch welche die Seelen der Menschen zur (Er-) Kenntnis der Wahrheit geführt werden könnten.

Christus verbachte einen großen Teil der Zeit seiner Amtstätigkeit an den Ufern des Meeres von Galiläa, und dort wirkte er auch seine merkwürdigsten Wunder. Als die Jünger sich an einem Orte versammelten, wo sie aller Wahrscheinlichkeit nach umgestört verbleiben konnten, wurden ihre Seelen von dem Gedanken an Jesus und seine mächtigen Werke erfüllt. Auf schäumenden Wogen dieses Meeres war Jesus zu ihrer Hilfe herbeigeeilt, als ihr Herz wegen des heftigen Wetters, das ihren Untergang drohte, mit Schrecken erfüllt war. Hier wurde der wütendste Sturm gelegt durch seine Stimme, welche zur aufgeregten Tiefe sagte: “Schweig, und verstumme!”  Das Gestade war sichtbar, wo er durch ein mächtiges Wunder über zehntausend Personen mit ein paar kleinen Broten und Fischen gesättigt hatte. Nahebei lag Capernaum, der Schauplatz seiner wunderbarsten Tätigkeit in der Heilung der Kranken und der Auferweckung der Toten. Als die Jünger wiederum auf das Galiläische Meer schauten, da waren ihre Gemüter von den Worten und Taten ihres Erlösers erfüllt.

Der Abend war angenehm und Petrus, der noch viel von seiner alten Liebe für Boote und Fischfang beibehalten (hatte), machte den Vorschlag, sie sollten auf den See hinausfahren und die Netze auswerfen. Dieser Vorschlag fand allgemeine Billigung, denn sie waren arm und bedurften der Nahrung und Kleidung, welche sie mit dem Erlös von einem erfolgreichen nächtlichen Fischfang sich zu verschaffen gedachten. So ruderten sie denn in ihrem Boot auf den See hinaus, um ihrem alten Beruf obzuliegen. Doch sie mühten sich während der ganzen Nacht ohne Erfolg ab. Während der langen, ermüdenden Stunden unterhielten sie sich über ihren abwesenden Herrn und riefen sich die Szenen und Ereignisse von großer Bedeutung, welche in jener Nachbarschaft sich zugetragen (hatten), und von denen sie Augenzeugen gewesen (waren), ins Gedächtnis zurück. Sie gaben sich verschiedenen Vermutungen über ihr eigenes zukünftiges Schicksal hin und wurden von Traurigkeit erfüllt beim Gedanken an ihre trüben Aussichten.

Während der ganzen Zeit folgte ihnen vom Ufer ein einsamer Beobachter mit seinen Augen, obgleich er selbst ihnen unsichtbar blieb. Endlich dämmerte der Morgen. Das Boot war nun bloß in geringer Entfernung vom Ufer, und die Jünger sahen einen Fremdling am Strande stehen, der sie mit der Frage anredete: “Kinder, habt ihr nichts zu essen?” Sie erkannten Jesus nicht und antworteten: “Nein.” Er aber sprach zu ihnen: “Werfet das Netz zur Rechten des Schiffs, so werdet ihr finden.” Da warfen sie, und konnten es nicht mehr ziehen, vor der Menge der Fische.

Die Jünger wurden von Staunen ergriffen über das Ergebnis ihres Versuches; Johannes jedoch erkannte, wer der Fremdling war und rief Petrus zu: “Es ist der Herr.”  Freude trat nun an die Stelle der bisherigen Enttäuschung. Petrus umgürtete sich sofort mit seinem Fischerrocke, stürzte sich ins Wasser und stand bald an der Seite seines Herrn. Die andern Jünger näherten sich ihm im Boote, indem sie die Netze voller Fischer nachzogen. “Als sie nun austraten auf das Land, sahen sie Kohlen gelegt und Fische darauf und Brot.”

Sie waren zu sehr verwundert, als daß sie sich erkundigt hätten, woher das Feuer und das Essen kam. Spricht Jesus zu ihnen: “Bringet her von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt.” Dem Befehle gehorsam, eilte Petrus zu dem Netze, das er so eilig verlassen hatte, und half seinen Brüdern, dasselbe an das Ufer zu ziehen. Nachdem das Werk geschehen und alle nötigen Vorbereitungen getroffen waren, lud Jesus die Jünger zur Mahlzeit ein. Er brach das Brot und die Fische und teilte dieselben unter sie, und an dieser Handlung erkannten ihn alle sieben. Das Wunder der Speisung von fünftausend auf dem Berge wurde dadurch klar in ihr Gedächtnis zurückgerufen; eine unerklärliche Ehrfurcht erfüllte sie jedoch, und sie verharrten im Schweigen, während sie auf ihren (auf-) erstanden Erlöser schauten.

Sie erinnerten sich, daß beim Beginn seines öffentlichen Auftretens ein ähnliches Ereignis sich zugetragen hatte, wie das eben geschehene. Jesus hatte ihnen damals befohlen, in den See hinaus zu rudern und ihr Netz für einen Zug in die Tiefe zu lassen, und dasselbe zerriß darauf wegen der Menge der gefangenen Fische. Dann hatte er sie angewiesen, ihre Netze zu verlassen und ihm nachzufolgen, so würde er sie zu Menschenfischern machen. Dieses letzte Wunder hatte Jesus gewirkt, um die früheren desto eindrucksvoller zu machen, so daß seine Jünger erkennen möchten, daß, obschon sie die persönliche Gesellschaft ihres Meisters, und das durch Ausübung ihrer Lieblingsbeschäftigung ihnen bisher gesicherte Auskommen in Zukunft entbehren müßten, dennoch ein erstandener Erlöser über sie wachen sie versorgen würde, während sie sein Werk ausführten. Jesus befahl ihnen auch mit einer besonderen Absicht, ihr Netz auf der rechten Seite des Schiffes auszuwerfen. Auf jener Seite stand nämlich Christus am Ufer. Wenn sie in Verbindung mit ihm arbeiteten, und so seine göttliche Macht sich mit ihren menschlichen Anstrengungen vereinigte, dann könnten sie des Erfolges sicher sein.

Die Wiederholung des wunderbaren Fischzuges war gewissermaßen eine Erneuerung von Christi Auftrag an seine Jünger. Er zeigte ihnen, daß der Tod ihres Meisters sie nicht der Pflicht enthob, das ihnen angewiesene Werk auszuführen. Dem Petrus, der bei verschiedenen Anlässen als Vertretet der Zwölf gehandelt, wurde eine besondere Lehre erteilt. Die von ihm in der Nacht des Verrates seines Herrn gespielte Rolle war so schändlich und lag dermaßen mit seinen früheren Beteuerungen der Ergebenheit und Anhänglichkeit in Widerspruch, daß es für ihn erforderlich war, allen Jüngern Beweise seiner aufrichtigen Buße zu geben, bevor er sein apostolisches Werk wiederum aufnehmen konnte. Der Heiland beabsichtigte ihn in eine Lage zu versetzen, in welcher er das vollkommene Vertrauen seiner Brüder wiederum gewinnen konnte, damit nicht etwa bei andern Gelegenheiten ihr Mißtrauen wegen seiner früheren Schwachheit seine Brauchbarkeit beeinträchtigen könnte.

Die Jünger erwarteten, daß Petrus nicht länger erlaubt würde, die hervorragende Stellung in dem Werke einzunehmen, die er bis dahin behauptet hatte, und er selbst hatte sein gewöhnliches Selbstvertrauen verloren. Während Jesus mit den Jüngern an der Seeküste speiste, wandte er sich an Petrus mit den Worten: “Simon (des) Johannes, hast du mich lieber, denn mich diese haben?” und wies damit auf seine Brüder hin. Petrus hatte einst erklärt: “Wenn sie auch alle sich an dir ärgerten, so will ich mich doch nimmermehr ärgern,” und hatte sich zugleich bereit erklärt, mit seinem Meister ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. Nun jedoch zeigte er in der Gegenwart der Jünger eine richtige Schätzung seiner selbst: “Ja, Herr, du weißt, daß ich dich lieb habe.” In dieser Antwort Petrus liegt keine ungestüme Versicherung, daß seine Liebe größer sei, als diejenige seiner Gefährten; er gibt sogar nicht einmal seine eigene Absicht über seine Ergebenheit gegen seinen Heiland, sondern wendet sich an jenen Erlöser, der alle Beweggründe des menschlichen Herzens zu lesen vermag, für sich selbst bezüglich seiner Aufrichtigkeit zu urteilen: “Du weißt, daß ich dich lieb habe.”

Die Antwort Jesu war dem reuigen Jünger entschieden günstig und beehrte ihn mit einer Vertrauensstelle. Sie lautete: “Weide meine Lämmer.” Wiederum prüfte Jesus den Petrus, indem er seine vorigen Worte wiederholte: “Simon (des) Johannes, hast du mich lieb?”  Dieses Mal fragte er den Jünger nicht, ob er ihn mehr liebe, als seine Brüder. Die zweite Antwort Petrus war gleich der ersten, frei von jeder Selbstüberschätzung: “Ja, Herr, du weißt, daß ich dich lieb habe.” Jesus sagte zu ihm: “Weide meine Schafe.”  Noch einmal stellte Jesus die prüfende Frage: “Simon (des) Johannes, hast du mich lieb?”  Petrus wurde traurig, denn er dachte, die Wiederholung dieser Frage zeige an, daß Jesus seinen Aussagen keinen Glauben schenkte. Er wußte gar wohl, daß sein Herr Ursache hatte, an ihm zu zweifeln, und mit betrübtem Herzen antwortete er: “Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, daß idh dich lieb habe.”  Jesus sagte zu ihm: “Weide meine Schafe:”

Drei Mal hatte Petrus öffentlich seinen Herrn verleugnet, und drei Mal bewog ihn Jesus zur Versicherung seiner Liebe und Ergebenheit, indem er jene scharfe Frage, die wie ein gespitzter Pfeil sein verwundetes Innere durchdrang, an ihn richtete. Vor den versammelten Jüngern machte Jesus Tiefe von Petrus Reue kund und zeigte, wie durchaus gedemütigt der zuvor so prahlerische Jünger war. Er wurde nun mit dem wichtigen Auftrage betraut, für die Herde Christi zu sorgen. Obgleich untadelhaft in jeder anderen Beziehung, konnte er doch ohne die Liebe Christi kein getreuer Hirte seiner Herde werden. Kenntnisse, Beredsamkeit, Wohlwollen, Dankbarkeit und Eifer sind alles Hilfsmittel in dem guten Werke, aber ohne die Ergießung der Liebe Christi in das menschliche Herz bleibt das Werk des christlichen Predigers ohne Erfolg.

Petrus war von Natur aus voreilig und feurig, und Satan hatte diesen Charakterzug benutzt, um ihn auf Abwege zu führen. Als Jesus seine Jünger mit der Tatsache bekannt gemacht hatte, daß er nach Jerusalem gehen müsse, um auf Anstiften der Hohenpriester und Schriftgelehrten zu leiden und zu sterben, hatte Petrus voller Anmaßung seinem Herrn widersprochen mit den Worten: “Herr, schone deiner selbst, das widerfahre dir nur nicht.” Er konnte die Möglichkeit nicht einsehen, daß der Sohn Gottes den Tod erleiden sollte. Satan gab ihm den Gedanken ein, daß, falls Jesus der Sohn Gottes wäre, er nicht sterben könnte. Gerade vor dem Falle Petrus hatte Jesus zu ihm gesagt: “Siehe, der Satan hat eurer begehrt, daß er euch möchte sichten, wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dermaleinst dich bekehrest, so stärke deine Brüder.” Luk. 22,31.32.  Jener Zeitpunkt war nun angelangt und die in Petrus bewirkte Umwandlung war augenscheinlich. Die genauen, prüfenden Fragen des Herrn hatten keine vorlaute, selbstbewußte Antwort zur Folge gehabt; und wegen seiner Demütigung und Reue war er nun besser als je vorbereitet, das Amt eines Hirten über die Herde auszufüllen.

Die Lehre, welche er vom Oberhirten betreffs der Behandlung seines Falles empfangen (hatte), war höchst wichtig für Petrus sowohl, als auch für die andern Jünger. Sie wurden nämlich angewiesen, den Übertreter mit Geduld, Sanftmut und vergebener Liebe zu behandeln. Während der Zeit, da Petrus seinen Herrn verleugnete, nahm die Liebe Christi für ihn nie ab. Gerade eine solche Liebe sollte der Unterhirte für die seiner Obhut anvertrauten Schafe und Lämmer fühlen. Mit der Erinnerung an seine eigene Schwachheit und seinen Fehler im Herzen, sollte Petrus mit seiner Herde so zärtlich verfahren, als Christus mit ihm selbst.

Jesus wandelte allein mit Petrus, denn es gab noch etwas, das er ihm allein mitzuteilen wünschte. In jenem immer denkwürdigen Saale auf dem Söller hatte Jesus vor seinem Tode dem Jünger gesagt: “Da ich hingehe, kannst du mir diesmal nicht folgen; aber du wirst mir hernachmals folgen.” Petrus hatte darauf geantwortet: “Herr, warum kann ich dir diesmal nicht folgen?”  Ich will mein Leben für dich lassen.” Joh. 13,36.37.  Voller Mitgefühl für ihn und um ihn für die schließliche Prüfungsstunde seines Glaubens zu stärken, eröffnete nun Jesus die Zukunft vor seinen Augen. Er sagte ihm, daß nach einem nützlichen zugebrachten Leben, wenn das Alter sich herannahen würde, er in der Tat seien Herrn nachfolgen sollte. Jesu Worte lauteten: “Da du jünger warest, gürtetest du dich selbst, und wandeltest, wo du hin wolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird die gürten, und führen, wo du nicht hin willst.” Das sagte er aber zu deuten, mit welchem Tode er Gott preisen würde.

Jesus (be)deutete hier dem Petrus klar die Tatsache, sowie die Art und Weise seines Todes; er wies sogar auf die Ausstreckung seiner Hände auf dem Kreuze hin, und nachdem er so gesprochen (hatte), wiederholte er seine frühere Ermahnung: “Folge mir nach.” Der Jünger wurde durch die Offenbarung seines Meisters nicht aus der Fassung gebracht. Er war bereit, irgend einen Tod für seinen Herrn zu erleiden. Petrus bemerkte nun, daß Johannes folgte, und er wurde von dem Wunsche beseelt, seine Zukunft zu erfahren; deshalb spricht er zu Jesu: “Herr, was soll aber dieser?”  Jesus spricht zu ihm: “So ich will, daß er bleibe, bis ich komme, was gehet es dich an? Folge du mir nach.” Petrus hätte immer eingedenk sein sollen (gedacht), daß sein Herr ihm alles offenbaren würde, was zu seinem Besten dienen konnte, ohne irgend welche Nachfrage seinerseits. Es ist die Pflicht eines jeden, Christus nachzufolgen, ohne ungebührliche Ängstlichkeit in Betreff der Andern zugewiesenen Pflicht. Durch die an Johannes gerichteten Worte: “So ich will, daß er bleibe, bis ich komme,” gab Jesus keine Versicherung, daß dieser Jünger bis zur zweiten Ankunft Christi leben sollte; er erklärte einfach seine eigene höchste Macht, und daß, selbst falls er dies so wünschte, es in keiner Weise das Werk Petrus angehen würde. Die Zukunft beider, von Johannes und von Petrus, war in den Händen ihres Herrn, und Gehorsam gegen ihn war die von jedem verlangte Pflicht.

Johannes erreichte ein sehr hohes Alter; er war Augenzeuge der Erfüllung der Worte Christi in Bezug auf die Zerstörung Jerusalems. Er sah den stattlichen jüdischen Tempel in Ruinen, und wie kein Stein auf dem andern gelassen wurde. Petrus war nun ein gänzlich bekehrter Mensch, aber die von Christus empfangene Ehre und Autorität gab ihm keinen Vorrang vor seinen Brüdern. Er war verehrt und hatte einen großen Einfluß in der Gemeinde, wegen der Gunst Gottes, die sich in der Verzeihung seines Abfalles und in der Anvertrauung seiner Herde zeigte, und weil er immer in seinem täglichen Leben einer der eifrigsten Nachfolger Christi (ver)blieb.

Versammlung der Brüder

Die elf Jünger gingen in Galiläa auf einen Berg, dahin Jesus sie beschieden hatte. Und da sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder. Etliche aber zweifelten.” (Matth. 28,16-20) Nebst den Elfen befanden sich noch andere bei jener Zusammenkunft auf dem Berge. Nachdem sich Jesus denselben offenbart hatte, waren einige der Nachfolger Jesu nur teilweise von seiner Identität mit dem Gekreuzigten überzeugt. Keiner der Elfe jedoch hatte den geringsten Zweifel darüber. Sie hatten auf seine Worte gelauscht, welche ihnen di ununterbrochene Kette der Prophezeiungen bezüglich seiner Person klarlegten. Er hatte mit ihnen gegessen, ihnen seine verwundete Seite und seine durchbohrten Hände und Füße gezeigt; sie hatten ihn berührt, so daß kein Zweifel in ihrem Gemüte aufkommen konnte.

Die Versammlung in Galiläa war von dem Heiland angeordnet worden; der Engel vom Himmel hatte dieselbe mehreren Jüngern bekannt gemacht, und Jesus selbst hatte ihnen besondere Anweisungen darüber gegeben, indem er ihnen sagte: “Wenn ich aber auferstehe, will ih vor euch hingehen in Galiläa.” Der Ort am Abhange des Berges wurde von Jesus ausgewählt, weil er bequem Platz für eine größere Versammlung bot. Diese Zusammenkunft war von der größten Wichtigkeit für die Gemeinde Gottes, welche bald darauf angewiesen sein sollte, das Werk ohne die persönliche Gegenwart des Heilandes fortzuführen. Jesus beabsichtigte, sich allen Brüdern, die hier zusammenkämen, zu offenbaren, so daß alle ihre Zweifel und aller Unglaube aus ihren Herzen verbannt würden.

Die Bestimmung Jesu wurde denjenigen wiederholt, welche an ihn glauben, während sie noch zu Jerusalem verweilten, um an den Festen, die dem Passah folgten, Teil zu nehmen. Die Nachricht gelangte zu vielen Einsamen, welche den Tod ihres Herrn betrauerten; und von jeder Richtung begaben sich dieselben auf Umwegen nach dem Versammlungsplatze, um nicht den Argwohn der mißtrauischen Juden zu erregen. Mit dem größten Interesse versammelten sie sich. Diejenigen welche mit dem Anblicke des erstandenen Erlösers begünstigt worden waren, erzählten den Zweifelnden, von den Botschaften der Engel und ihren Unterhaltungen mit ihrem Meister. Sie legten ihnen die heilige Schrift aus, wie es Jesus mit ihnen getan (hat), und zeigten, daß jede Einzelheit der Prophezeiung betreffs seiner ersten Ankunft in dem Leben, Tode und der Auferstehung von Jesu erfüllt worden war.

Die begünstigten Jünger gingen so von Gruppe zu Gruppe, indem sie den Glauben ihrer Brüder ermutigten und stärkten. Viele von den Anwesenden hörten diese Mitteilungen mit Staunen. Neue Gedanken wurden in ihrem Innern betreffs des Gekreuzigten wachgerufen. Wenn das, was sie gerade vernommen, sich so verhielt, dann war Jesus mehr als ein Prophet. Keiner konnte über den Tod triumphieren und die Banden des Grabes brechen, als allein der Messias. Ihre Vorstellungen über Christus und seine Mission waren durch die falschen Lehren der Priester so verwirrt worden, daß es nötig für sie war, zunächst wiederum zu verlernen, was sie gelehrt worden waren, um im Stande zu sein, die Wahrheit anzunehmen, daß Christus durch Schande, Leiden und Tod schließlich seinen Thron einnehmen sollte.

Unter Angst, Furcht und Hoffnung warteten sie, um zu sehen, ob Jesus in der Tat erscheinen würde, wie er versprochen hatte. Thomas erzählte einer eifrig horchenden Menge von seinem früheren Unglauben und seiner Weigerung, zu glauben, es sei denn, er sehe die verwundeten Hände, Füße und die durchbohrte Seite seines Herrn, und er lege seine Finger in die Nägelmale. Er erzählte ihnen, wie seine Zweifel auf immer verbannt worden seien, durch den Anblick des Erlösers, der die grausamen Zeichen der Kreuzigung trug, und daß er nach keinem weiteren Beweise verlangte.

Während das Volk wachte und wartete, stand Jesus plötzlich in ihrer Mitte. Niemand konnte sagen, woher oder wie er gekommen sei. Die Jünger erkannten ihn sofort und beeilten sich, ihm zu huldigen. Viele der Anwesenden hatte ihn nie zuvor gesehen; als sie jedoch auf sein göttliches Antlitz schauten, und dann auf seine verwundeten Hände und Füße, die bei der Kreuzigung von den Nägeln durchbohrt waren, wußten sie, daß es der Erlöser war, und sie beteten ihn an.

Doch gab es einige, die noch zweifelten, und welche die freudige Wahrheit nicht glauben konnten. “Und Jesus trat zu ihnen, und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.” Diese Versicherung Jesu übertraf alle ihre Erwartungen. Sie hatten, da er noch unter ihnen weilte, seine Macht kennen gelernt, die er über Krankheiten jeder Art, und über Satan und seine Engel besaß; sie vermochten jedoch zuerst nicht die große Wahrheit zu erfassen, daß alle Gewalt im Himmel und auf Erden demjenigen gegeben worden war, der auf ihren Straßen gewandelt, mit ihnen zu Tische gegessen und in ihrer Mitte gelehrt hatte.

Jesus sucht nun ihre Gemüter von seiner eigenen Persönlichkeit auf die große Wichtigkeit seiner Stellung als der Erbe aller Dinge, wesensgleich mit Gott, hinzulenken; er zeigte ihnen, daß er durch Leiden und Kampf seine große Erbschaft, die Reiche des Himmels und der Erde gewonnen hatte. Er wünschte ihnen gleich einzuprägen, wie umfassend seine Autorität sei, und als Einer, der über alle Reichtümer und Obrigkeiten steht, gab er seinen auserwählten Jüngern den wichtigen Auftrag: “Darum gehet hin, und lehrt alle Völker, und taufet sie im Namen des Vaters, und des Sohnes und des heiligen Geistes; und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.”

Ein weites Feld der Wirksamkeit eröffnete sich so seinen erstaunten Zuhörern, welche bis dahin die strengste Absonderung von allen, die nicht zu ihrer Nation gehörten, gelehrt worden waren. Eine neue und umfassende Auslegung der Prophezeiungen dämmerte in ihrem Verständnis auf, und sie bemühten sich, das ihnen zugewiesene Werk zu begreifen. Die Welt betrachtete Jesus als einen Betrüger; nur einige Hunderte scharrten sich unter sein Banner, und der Glaube dieser war durch die Nachricht von seinem Tode schrecklich erschüttert worden, und sie hatten sich noch nicht über die zu ergreifenden Schritte zu einigen vermocht. Nun hatte Christus sich ihnen in seiner erstandenen Gestalt offenbart und ihnen eine Mission von solcher Ausdehnung gegeben, daß sie dieselbe mit ihren beschränkten Ansichten kaum zu verstehen vermochten. Es hielt (fiehl) ihnen schwer, zu erkennen, daß der Glaube, welcher sie mit Christus verbunden hatte, nicht nur die Religion der Juden, sondern die aller Nationen sein sollte.

Aberglaube, Satzungen, Bigotterie und Götzendienst regierten die Welt. Die Juden allein gaben vor, eine gewisse Kenntnis Gottes zu besitzen und sie schlossen sich so sehr von allen andern Völkern ab, sowohl in geselliger und religiöser Hinsicht, daß sie von jedem andern Volke verachtet wurden. Die hohe Scheidewand, welche sie so errichtet hatten, machte die Juden gewissermaßen zu einer kleinen Welt für sich, und alle Nichtjuden wurden von ihnen Heiden und Hunde genannt. Jesus jedoch eröffnete seinen Jüngern den großen Plan, ihre Religion allen Nationen, Sprachen und Völkern bekannt zu machen. Es war das erhabenste Unternehmen, das je den Menschen anvertraut worden war, einen gekreuzigten und auferstandenen Erlöser und volles freies Heil allen Menschen, den Reichen und Armen, den Gelehrten und Ungelehrten, zu predigen, - zu lehren, daß Christus auf die Welt kam, um den Bußfertigen zu verzeihen, und ihnen eine Liebe anzubieten, so hoch wie der Himmel, so ausgedehnt wie die Welt und so dauernd wie die Ewigkeit.

Sie sollten die Beobachtung aller Dinge lehren, die Jesus ihnen befohlen hatte, und die Menschen taufen im Namen des Vater, des Sohnes und den heiligen Geistes. Jesus sollte bald seine Jünger verlassen; er versicherte sie (ihnen) jedoch, daß, obschon er zu seinem Vater aufsteigen würde, sein Geist und Einfluß doch fortwährend bei ihnen und ihren Nachfolgern bis zum Ende der Welt verbleiben sollte. Christus hätte seinen Nachfolgern kein kostbareres Vermächtnis hinterlassen können, als die Versicherung, daß seine Gegenwart bei ihnen verbleiben würde während all der dunklen Prüfungsstunden ihres Lebens. Wenn Satan bereit zu sein scheint, die Gemeinde Gottes zu zerstören und sein Volk zu verwirren, dann sollten sie sich erinnern, daß Einer ihnen versprochen (hatte), bei ihnen zu verbleiben, der gesagt hatte: “Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.”

Verfolgungen und Schmach sind vor jeher das Schicksal der wahren Nachfolger Christi gewesen. Die Welt haßte den Meister und sie hat von jeher seine Diener gehaßt; aber der heilige Geist, der Tröster, welchen Christus seinen Jüngern sandte, ermutigte und stärkte sie, damit sie sein Werk mit Treue während seiner persönlichen Abwesenheit ausführen möchten. Der Tröster, der Geist der Wahrheit, sollte auf immer bei ihnen verbleiben, und Christus versicherte sie (ihnen), daß die Gemeinschaft, welche zwischen ihm und dem Vater bestand, sie nun gleichfalls einschloß.

Das Verständnis der Jünger, welches durch falsche Auslegung der Prophezeiungen umnachtet worden war, wurde nun durch Jesus völlig geöffnet, indem er ein helles Licht über jene Schriftstellen, die sich auf ihn bezogen, ausgoß. Er zeigte ihnen die wahre Natur seines Reiches; und sie begannen nun einzusehen, daß es nicht die Mission Jesu war, eine zeitliche Regierung zu gründen, sondern daß sein Reich göttlicher Gnade in den Herzen seines Volkes sich offenbaren sollte, und daß bloß durch seine Erniedrigung, seine Leiden und seinen Tod das Reich seiner Herrlichkeit schließlich aufgerichtet werden konnte.

Die Gewalt des Todes war in den Händen Satans; Jesus jedoch hatte ihm seinen bittern Stachel der Verzweiflung genommen, indem er den Feind auf seinem eigenen Gebiete traf und ihn dort besiegte. Von nun an sollte der Tod seines Schreckens beraubt sein für den Christen, da Christus selbst seine Qualen gefühlt und aus dem Grabe erstanden war, um zur rechten Hand des Vaters im Himmel zu sitzen, im Besitze aller Gewalt im Himmel und auf Erden. Der Kampf zwischen Christus und Satan war beendet, als der Herr von den Toten erstieg, das Gefängnishaus seines Feindes in seiner Grundlage erschütterte, und ihn so seiner Beute beraubte, indem er eine Menge der schlafenden Toten aus dem Grabe hervorrief, als ein frischer Beweis des durch den zweiten Adam gewonnen Sieges. Diese Auferweckung war ein Beispiel und eine Versicherung der schließlichen Auferstehung der gerechten Toten bei der zweiten Ankunft Christi.

Jerusalem war der Schauplatz von Christi Staunen erregender Herablassung für das menschliche Geschlecht gewesen. Dort hatte er gelitten, war verworfen und verurteilt worden. Judäa, dessen Hauptstadt Jerusalem war, war seine Lebensstätte gewesen. Dort hatte er in Fleisch(es)gestalt mit den Menschen verkehrt und doch hatten wenige erkannt, wie nahe der Himmel zur Erde gekommen, als Jesus unter ihnen wandelte. Es war daher passend, daß das Werk der Jünger auch zu Jerusalem beginnen sollte. Während alle Gemüter noch von den bedeutungsvollen Ereignissen der letzten paar Wochen aufgeregt waren, bot sich die beste Gelegenheit, jener Stadt die Botschaft zu verkünden.

Als die Unterweisung Jesu an seine Jünger sich ihrem Ende näherte, und die Trennungsstunde anbrach, richtete er ihre Gedanken in bestimmterer Weise auf das Wirken des Geistes Gottes, um sie für ihre Mission zuzubereiten. In (ver-) traulichem Gespräche erleuchtete er ihre Gemüter über die erhabenen Wahrheiten, welche sie der Welt verkünden sollten. Ihr Werk dürfte jedoch nicht beginnen, bis sie durch die Taufe des heiligen Geistes die Gewißheit erlangt hätten, daß sie mit dem Himmel verbunden seien. Neuer Mut und Freude wurden ihnen verheißen durch die himmlische Erleuchtung, welche sie dann befähigen würde, die wunderbare Tiefe und Fülle der göttlichen Liebe zu verstehen.

Nach ihrer durch die Herabkunft des heiligen Geistes erlangten Befähigung für ihre Mission, sollten die Jünger Sündenvergebung predigen, und das durch Buße und die Verdienste eines gekreuzigten und (auf-) erstandenen Erlösers zu erlangende Heil verkündigen. Sie sollten zu Jerusalem anfangen, und von da ihr Wirken durch ganz Judäa und nach Samaria ausdehnen, um schließlich die äußersten Enden der Erde zu umfassen. Wir finden hierin eine wichtige Lehre für alle, welche der Welt eine Botschaft der Wahrheit zu verkünden haben. Zunächst müssen ihre eigenen Herzen mit dem Geiste Gottes erfüllt sein und ihre Arbeiten sollten zuerst daheim beginnen; ihre Familien sollten zunächst sich ihres wohltätigen Einflusses erfreuen; und die umwandelnde Kraft des Geistes Gottes sollte in ihrem eigenen Hause sich in einem wohlgeordneten Familienleben zeigen. Dann sollte sich der Kreis allmälig erweitern; die ganze Nachbarschaft sollte das für ihre Rettung an den Tag gelegte Interesse wahrnehmen, und das Licht der Wahrheit sollte ihnen getreu dargeboten werden; denn ihre Rettung ist von ebenso großer Wichtigkeit als diejenige von Personen in größerer Entfernung. Von der unmittelbaren Nachbarschaft und den umliegenden Städten und Dörfern sollte sich die Wirksamkeit der Diener Gottes allmälig weiter und weiter erstrecken, bis die Botschaft der Wahrheit schließlich die äußersten Enden der Erde umfassen würde.

Dies war die Reihenfolge, welche Christus für die Arbeiten seiner Jünger feststellte; gar oft wird dieselbe jedoch von den evangelischen Arbeitern unserer Tage umgekehrt. Sie vernachlässigen den zunächst gelegenen Kreis; sie sehen die Notwendigkeit nicht ein, daß der belebende Einfluß des Geistes Gottes zuerst ihre eigenen Herzen umwandeln und ihren Lebenswandel heiligen und veredeln sollte. Die einfachsten Pflichten die sich ihnen in ihrer nächsten Umgebung darbieten, werden vernachlässigt und weit entlegene Felder aufgesucht, wo ihre Arbeiten häufig fruchtlos bleiben. Und doch hätten sie in einem leichter zugänglichen Arbeitsfelde mit Erfolg wirken können; sie würden weniger Prüfungen haben, in gleichem Maße wie der Weg sich vor ihnen öffnete und erweiterte.

Die Apostel hätten den Herrn beten können, daß mit Rücksicht auf die nicht gewürdigten Anstrengungen, die in Jerusalem gemacht worden waren, und die Beleidigungen und den grausamen Tod, den Christus zu erleiden gehabt hatte, es ihnen gestattet werden möchte, ein mehr versprechendes Arbeitsfeld aufzusuchen, wo sie Herzen finden würden, die bereit wären, ihre Botschaft aufzunehmen. Kein solches Ansuchen wurde jedoch gestellt. Jesus war der einzige Leiter des Werkes. Gerade dasjenige Arbeitsfeld, auf welches der größte aller Lehrer den Samen der Wahrheit ausgestreut hatte, sollte von den Aposteln gründlich bearbeitet werden, bis jene Samen aufsprießen und eine reichliche Ernte liefern würden. Die Jünger sollten ih ihren Arbeiten den Haß, die Unterdrückung und die Eifersucht der Juden auszustehen haben; all dieses hatte jedoch ihr Meister schon vor ihnen durchgemacht und ihnen lag es ob (- hin), nicht davor zu fliehen.

Als Jesus von seiner herannahenden Erniedrigung und seinem Tode die Jünger tröstete, hatte er ihnen gesagt: “Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.” (Joh. 14,27) Nun, nach seinem Kampfe und Siege, nachdem er über den Tod triumphierte, und seine Belohnung empfangen hatte, erteilte er ihnen in noch bestimmterer Weise jenen Frieden, welcher höher ist, denn alle Vernunft. Er befähigte sie, das Werk anzutreten, welches er begonnen hatte. Wie er von seinem Vater gesandt worden war, so sandte er seine Jünger aus. er blies sie an und sprach zu ihnen: “Nehmet hin den heiligen Geist.”

Die Apostel wurden nicht ausgesandt, Zeugen für Christus zu sein, bis sie jene geistige Gabe empfangen hatten, die sie zur Ausführung ihres großen Auftrages benötigten. Alle christlichen Bekenntnisse sind bloß tote Glaubensformeln, bis Jesus die Gläubigen mit seinem geistigen Leben, das heißt mit dem heiligen Geist durchdringt. Der Verkünder des Evangeliums ist kein ächter Lehrer der Wahrheit, noch ein Vertreter Christi, bis er diese himmlische Gabe empfangen hat.

Männer in verantwortlichen, welche die Wahrheit Gottes im Namen Jesus, ohne die geistige Kraft, welche allein durch den belebenden Einfluß Gottes zu gewinnen ist, verkünden, tun ein ungewisses Werk und können nie sicher sein, ob Erfolg oder Niederlage ihren Bemühungen bevorsteht. Gar viele vergessen, daß Religion und Pflicht nicht bloß Gefühlssachen sind, sondern erstes Handeln verlangen. Nicht grpße Dienste und hochfliegende Pläne empfangen die Billigung Gottes, sondern die Liebe und Hingebung, mit welcher der Dienst ausgeführt wird, sei er nun groß oder klein. Die Stürme des Widerstandes und der Verfolgung werden uns durch die göttliche Vorsehung gesandt, daß wir durch dieselben getrieben unter seinen schützenden Fittigen (Fittichen) Zuflucht suchen. Wenn wir von drohenden Wolken umgeben sind, hören wir sein Stimme: “Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt.”

Die Mitteilung des heiligen Geistes und seines Friedens an seine Jünger war gleich wenigen Tropfen vor dem reichliche Schauer, der am Pfingsttage stattfinden sollte. Jesus prägte seinen Jüngern besonders die Tatsache ein, daß sie mit der Zeit, da sie fortfahren würden in dem ihnen anvertrauten Werke, sie auch klarer die Natur dieses Werkes und die Art und Weise, in welcher Christi Reich auf Erden gegründet werden sollte, verstehen würden. Ihr Aufgabe war, als Zeugen für den Heiland aufzutreten; sie waren berufen, der Welt zu verkündigen, was sie von seiner Auferstehung gesehen und gehört hatten, und die liebreichen Worte zu wiederholen, die von seinen Lippen geflossen waren. Sie kannten seinen heiligen Charakter; er war wie ein Engel, der in der Sonne stand und doch keinen Schatten warf. Es war die heilige Aufgabe der Apostel, den makellosen Charakter Christi den Menschen bekannt zu machen, als das große Vorbild ihres Lebens. Die Jünger waren in so innige Verbindung mit diesem Muster der Heiligkeit getreten, daß sie in gewissen Grade seinen Charakter in sich aufgenommen hatten und so besonders befähigt waren, die Welt über seine Vorschriften und sein Beispiel zu belehren.

Je mehr der christliche Prediger sich mit seinem Meister durch Betrachtungen über sein Leben und seinen Charakter in Verbindung setzt, desto ähnlicher mit ihm wird er werden und desto befähigter, seine Wahrheiten zu lehren. Jede Einzelheit in dem Leben des großen Vorbildes sollte sorgfältig studiert und eine innige Verbindung durch das Gebet des lebendigen Glaubens mit ihm unterhalten werden. Auf diese Weise kann der schwache und fehlerhafte menschliche Charakter in das Ebenbild seines glorreichen Charakters umgewandelt und der Lehrer der Wahrheit befähigt werden, Seelen zu Christo zu führen.

Als Jesus den Jüngern zum ersten Mal den Auftrag gab, sagte er: “Ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben. Alles, was du (mit Bezug auf verantwortliche Menschen, welche die Gemeinde vertreten sollten) auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein; und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein.” (Matth. 16,19) Indem er denjenigen, welchen er den heiligen Geist mitgeteilt hatte, seinen Auftrag wiederholte, sagte er: “Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.” (Joh. 20,23) Diese Worte gaben den Jüngern einen Begriff von der Heiligkeit des auszuführenden Werkes und dessen ungeheuren Folgen. Erfüllt mit dem Geiste Gottes sollten sie ausgehen und der Welt die Verdienste eines erbarmenden Erlösers verkünden; und sie hatten die Versicherung, daß der ganze Himmel tiefen Anteil an ihrem Wirken nehmen werde, und daß, was sie auf Erden im Geiste und im Namen Christi tun würden, auch im Himmel bestätigt würde.

Jesus gab durch diese Versicherung den Aposteln oder deren Nachfolgern keine Vollmacht, als seine Vertreter Sünden zu vergeben. Wenn wir einem Andern Unrecht getan haben, sollen wir ihm dasselbe bekennen; und dann ist es seine Pflicht, uns zu vergeben. Geheime Sünden dagegen sollen wir Gott allein bekennen. Wir sollen nicht vor gefallen Menschen niederknien, und ihnen im Bekenntnis die Gedanken und geheimen Bewegungen des Herzens offen legen. Der Heiland lehrte seine Jünger, daß  s e i n Name der einzige den Menschen gegebene sei, durch welchen sie selig werden können. Jesus erteilte jedoch seiner Gemeinde, in ihrer geordneten Gestalt auf Erden, die Macht, Strafen zu verhängen und wieder zu erlassen, gemäß den durch die Inspiration festgestellten Regeln; diese Handlungen sollten jedoch bloß von Männern in (mit) gutem Rufe erfolgen, welche von dem großen Haupte der Kirche für ihr heiliges Amt geweiht waren, und welche durch ihren Wandel zeigten, daß sie aufrichtig sich bestrebten, der Leitung des heiligen Geistes zu folgen.

Niemand sollte eine eigenmächtige und willkürliche Macht über das Gewissen eines andern haben. Christus erteilte kein kirchliches Recht, Sünden zu vergeben, oder Ablaß zu verkaufen, so daß die Menschen sündigen könnten, ohne sich das Mißfallen Gottes zuzuziehen, ebensowenig erlaubte er seinen Dienern, Geschenke anzunehmen oder sich bestechen zu lassen, um die Sünden zu beschönigen, und verdientem Tadel zu entgehen. Jesus beauftragte seine Jünger, Nachlassung der Sünden in  s e i n e m Namen alle Völkern zu lehren; sie selbst jedoch wurden nicht ermächtigt, einen Sündenfleck von den Kindern Adams zu entfernen. Noch sollten sie das Urteil gegen die Schuldigen vollziehen; sie haben den Sünder zu warnen; die Strafe wegen der Übertretung des Gesetzes muss treulich verkündet werden. Die Gemeinde aber ist nicht befugt, den Übertreter zu bestrafen; sondern Christus selbst wird das über die Unbußfertigen ausgesprochene Urteil vollziehen. Wer die Aufmerksamkeit des Volkes auf sich ziehen will mit der Behauptung, daß er mit der Macht bekleidet sei, Sünden zu vergeben, setzt sich dem Zorne Gottes aus, denn er wendet die Seelen von dem himmlischen Meister zu einem schwachen und irrenden Sterblichen.

Jesus zeigte seinen Jüngern, daß nur insofern sie seines Geistes teilhaftig, und von derselben Barmherzigkeit beseelt würden, sie auch wahres Verständnis und die Macht, Wunder zu wirken, empfangen sollten. Alle ihre Stärke und Weisheit sollte von ihm kommen. In ihrem Vorgehen gegen widerspenstige und ungehorsame Glieder sollten die heiligen Männer der Kirche die durch Christus niedergelegten Vorschriften befolgen, und dieser einzig sichere Weg wurde durch die Feder der Inspiration Schritt für Schritt von den Aposteln vorgezeichnet.

Wenn die Gemeinde sich mit dem Falle eines Übertreters befaßt, so wird das gläubige Gebet Christus in ihre Mitte bringen, als allweisen Ratgeber. Die Menschen stehen in Gefahr, von Vorurteilen oder den Berichten und Meinungen anderer beherrscht zu werden. Ihr eigenes, ungeweihtes Urteil mag zu bestimmen haben in ihren Beschlüssen. Wenn deshalb wichtige Entscheidungen in Bezug auf einzelne Personen in der Gemeinde zu treffen sind, sollte das Urteil eines einzigen Menschen, wie weise und erfahren er auch sein mag, nicht als genügend erachtet werden, um darnach zu handeln.

Jesus hat gesagt: “Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.” (Matth. 18,20)  Mit Christus als dem Vorsitzenden in der Beratungen der Gemeinde wie sorgfältig sollte da nicht jeder sprechen und handeln. Gebete sollen für den Irrenden dargebracht, und kein Mittel unversucht gelassen werden, ihn wiederum der Gunst Gottes und der Gemeinde teilhaftig zu machen; wenn jedoch die Stimme der Gemeinde mißachtet wird, und sein persönlicher Wille sich nicht unterordnen will, dann muß der Übertreter ohne Verzug zur Rechenschaft gezogen werden, und der Entschluß der Brüder, mit Gebet und Glauben und gemäß der Gemeinde von Gott gegebener Weisheit gefaßt, wird vom Himmel gutgeheißen.

Das reumütige Bekenntnis des Sünders soll von der Gemeinde mit dankbarem Herzen begrüßt werden. Die Gemeinde ist nur insofern ermächtigt, von Sünden loszusprechen, als sie dem reuigen Sünder die vergebende Barmherzigkeit des Heilandes verkündet, und ihn von der Finsternis des Unglaubens und der Schuld zu dem Lichte des Glaubens und der Gerechtigkeit lenkt. Sie kann seine zitternde Hand in die liebende Rechte Jesu legen. Eine solche Nachlassung wird im Himmel gutgeheißen. Die den Aposteln gegebenen Weisungen betreffs Verurteilung oder Freisprechung in kirchlichen Angelegenheiten sollen bis zum Ende der Zeiten in Kraft bestehen. Und die Verheißung der Gegenwart Christi, in Beantwortung der Gebete sollte seine Gemeinde heutzutage ebensowohl trösten und ermutigen, wie sie einst schon die Apostel, an welche sich Christus unmittelbar wandte, tröstete und ermutigte. Diejenigen, welche die Autorität der Gemeinde verachten, verachten damit die Autorität Christi selbst.

Trotzdem Jerusalem die beste Gabe des Himmels zurückgewiesen hatte, sollte das Werk der Apostel doch dort beginnen. Den Mördern des Sohnes Gottes sollte zuerst Barmherzigkeit und Vergebung gepredigt werden. Gar viele waren auch dort, welche im Geheimen an Jesus geglaubt hatten, und viele, welche von den Priestern und Obersten getäuscht worden waren, jedoch sich bereit zeigten, ihn anzunehmen, wenn bewiesen werden konnte, daß er in der Tat der Messias sei. Die Apostel sollten als Augenzeugen von Jesu und seiner Auferstehung Zeugnis ablegen. Sie sollten dem Volke die Prophezeiungen bezüglich seiner Person eröffnen und dartun, wie vollkommen sie in Erfüllung gegen (ist). Kurz, sie sollten dem Volke die überzeugendsten Tatsachen über die Wahrheiten, die sie lehrten, vorführen, und die freudige Nachsicht von der Erlösung der Welt verkünden.

Jetzt, da alle Gemüter sich wegen der Ereignisse in Jerusalem für die Geschichte und Mission Jesu interessieren, war die Zeit, in welcher die Verkündigung seines Evangeliums den größten Eindruck auf die Menge machen würde. Beim Anfange ihres Wirkens sollten die Jünger die Gabe empfangen, Wunder zu wirken. Ihr Zeugnis von Christus sollte durch Zeichen und Wunder bestätigt werden, sowohl von Seiten der Apostel als auch seitens jener, welche ihre Botschaft aufnahmen. Jesus sagt: “In meinem Namen werden sie Teufel austreiben, mit neuen Zungen reden, Schlangen vertreiben (wie dies mit Paulus der Fall war), und so sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden; auf die Kranken werden sie die Hände legen, so wird es besser mit ihnen werden .” (Mark. 16,17.18)

Zu jener Zeit kamen Vergiftungen nicht unhäufig vor. Gewissenlose Menschen zögerten nicht, auf diese Weise solche unschädlich zu machen, die ihrem Ehrgeize im Wege standen. Jesus wußte, daß seine Apostel gleichfalls dieser Gefahr ausgesetzt sein würden, falls sie nicht auf besondere Weise beschützt wären. Er wußte, daß es viele Verblendete geben würde, die Gott einen Dienst zu erweisen vermeinten, indem sie auf irgend eine Weise diese Zeugen töteten. Er bewahrte sie deshalb gegen dieses heimtückische Übel. Der Herr versicherte auf diese Weise seinen Dienern, daß sie nicht mit ihrer eigenen Kraft, sondern mit der Kraft des heiligen Geistes wirken würden. Obschon die Jünger den Auftrag erhielten, das Evangelium allen Völkern zu verkünden, verstanden sie zuerst die große Ausdehnung und die wunderbare Natur des ihnen aufgetragenen Werkes nicht - eines Werkes, das auf ihre Nachfolger übergehen und bis an das Ende der Zeit sich erstrecken sollte. Sie selbst hatten keinen klaren Begriff, von alledem, das sie um des Evangeliums willen leiden mußten, doch der Heiland, vor dessen Auge die Zukunft offen lag, sah die ihnen drohenden Gefahren, und beschützte seine Jünger auf diese Weise bei Zeiten.
 






Die Himmelfahrt Christi

Nachdem Jesus die Brüder in Galiläa getroffen, kehrten die Jünger nach Jerusalem zurück; und während die Elf in der Stadt versammelt waren, kam Jesus zu ihren und bekehrte sie weiter über die seine Person betreffenden Prophezeiungen. Er prägte ihnen die Notwendigkeit eines gründlichen Studiums der alten Prophezeiungen betreffs des Messias ein, und ebenso einer Vergleichung derselben mit den Tatsachen seines Lebens, Todes und seiner Auferstehung, um ihre Erfüllung in seiner Person zu begründen. Sie sollten von der durch die Propheten offenbarten heiligen Wahrheit ein Glied nach dem andern verfolgen, welche in Typen und Vorbildern hinweisen auf das Lamm, das erwürgt ist von Anfang der Welt. Er lüftete den Schleier von ihrem Verständnisse, betreffs des vorbildlichen jüdischen Gottesdienstes, und sie erkannten nun die wahre Bedeutung der Symbole und Zeremonien, welche durch den Tod Christi tatsächlich abgeschafft wurden.

Der Heiland der Welt stand im Begriffe, als ein göttlicher Eroberer zu seines Vaters Thron emporzusteigen. Er wählte den Ölberg als Schauplatz dieser letzten Entfaltung seiner Herrlichkeit. In Begleitung der Elf richtete er seine Schritte nach dem Berge. Die Jünger waren nicht gewahr, daß dies das letzte Mal sein sollte, daß sie bei ihrem Meister weilen durften. Er benützte (nutzte) die Zeit zu heiligem Gespräche mit ihnen, indem er seine früheren Unterweisungen wiederholte. Während sie durch die Tore Jerusalems schritten, schaute manches erstaunte Auge auf die kleine Gesellschaft, die von jemanden angeführt wurde, den erst vor wenigen Wochen die Priester und Obersten verurteilt und gekreuzigt hatten.

Sie überschritten den Kidron und näherten sich Gethsemane. Hier hielt Jesus ein wenig inne, so daß seine Jünger die Lehren sich ins Gedächtnis zurückrufen möchten, welche er ihnen auf dem Wege zum Garten in der Nacht seiner fürchterlichen Seelenqual gegeben. Er schaute wiederum auf den Weinstock, welchen er damals als Zeichen benützt hatte, um die Gemeinschaft seiner Kirche mit sich selbst und mit seinem Vater zu versinnlichen, und er erfrischte das Gedächtnis seiner Jünger, indem er die bedeutungsvollen Wahrheiten, die er ihnen damals vorgeführt (hat), jetzt wiederholte. Von allen Richtungen her, wohin auch das Auge schweifte, tauchten Erinnerungen an Christi unerwiederte Liebe auf; sogar die Jünger, welche an seiner Seite wandelten, und seinem Herzen so teuer waren, hatte in der Stunde ihrer Erniedrigung, da er am meisten ihres Mitgefühles und Trostes bedurfte, ihn verleugnet und verlassen.

Christus hatte während drei und dreißig Jahren in der Welt verweilt, und ihre Verachtung, ihre Beleidigung und ihren Spott ertragen; er war verworfen und gekreuzigt worden. Wird er deshalb nicht nun, wo er im Begriffe ist, zu seinem Throne der Herrlichkeit aufzusteigen - da er die Undankbarkeit des Volkes, das er zu retten gekommen war, betrachtet - wird er ihnen nicht nun sein Mitgefühl und seine Liebe entziehen? Wird sich nicht seine Zuneigung auf jene Welt konzentrieren, wo er gewürdigt wird, und wo sündenlose Engel ihn anbeten und auf seinen leisesten Wink zu folgen bereit stehen? Aber nein, seine Verheißung an diejenigen, welche er auf Erden verläßt, lautet: “Und siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.” Schon vor seinem Kampfe hatte er den Vater gebeten, daß sie nicht aus der Welt genommen werden, sondern vor dem Übel in der Welt bewahrt bleiben möchten.

Schließlich erreicht die kleine Schar den Ölberg. Diese Stelle war ganz besonders durch die Gegenwart Jesu geheiligt worden, zur Zeit, da er noch die menschliche Natur an sich hatte. Er war durch seine Gebote und seinen Tränen geheiligt worden. Als er in Jerusalem eintritt, gerade vor seiner Verurteilung, da hatten die Abhänge des Ölbergs von dem Freudengeschrei der triumphierenden Menge wiedergehallt. An der Seite desselben war Bethanien, wo er oft Ruhe gefunden in dem Hause des Lazarus. Am Fuße des Berges befand sich der Garten Gethsemane, wo er allein die schreckliche Todesangst ausgestanden, und den Boden mit seinem Blute getränkt hatte.

Jesus führte den Weg über die Anhöhe bis nahe zu Bethanien. Hier hielt er an und alle sammelten sich um ihn. Strahlen des Lichtes schienen von seinem Anlitze auszugehen, als er mit der zärtlichen Liebe auf seine Jünger schaute. Er machte ihnen keine Vorwürfe wegen ihrer Fehler und Schwachheiten; sondern Worte der unaussprechlichsten Zärtlichkeit waren die letzten, welche sie von den Lippen ihres Herrn vernahmen. Mit zum Segen über sie ausgebreiteten Händen, und um sie dadurch gleichsam seiner schützenden Fürsorge zu versichern, stieg er langsam aus ihrer Mitte auf, von einer Macht, die stärker war, als jede irdische Anziehungskraft, himmelwärts gezogen. Als er aufwärts fuhr, schauten die von Ehrfurcht ergriffenen Jünger mit wundernden Augen ihm nach, bis der letzte Schimmer ihres Herrn verschwunden war. Eine Wolke der Herrlichkeit enthob ihn schließlich ihren Blicken; und zu gleicher Zeit wurden ihre Sinne entzückt, durch die süßeste und erfreulichste Musik von den Engelchören in der Höhe, welche ihr Ohr erreichte.

Während ihre Blicke noch immer himmelwärts gerichtet waren, wurden sie von Stimmen angesprochen, die gleich der Musik ertönten, welche sie eben entzückt hatte. Als sie sich umwandten, sahen sie zwei Wesen in Menschengestalt; ihre himmlische Natur wurde jedoch sofort von den Jüngern erkannt, da dieselben sie mit den folgenden tröstenden Worten anredeten: “Ihr Männer von Galiläa, was stehet ihr, und schauet gen Himmel? Dieser Jesus, welcher von euch ist aufgenommen gen Himmel, wird kommen, wie ihr ihn gesehen habt gen Himmel fahren.” (Apg. 1,11) Diese Engel gehörten zu derselben Schar, welche in einer leuchtenden Wolke Jesus erwartet hatte, um ihn zu seinem Throne zu begleiten; und voller Mitgefühl und Liebe für diejenigen, welche der Heiland zurückgelassen (hat), kamen sie um jede Ungewißheit aus ihren Gemütern zu entfernen und ihnen die Versicherung zu geben, daß er zur Erde zurückkehren werden.

Der ganze Himmel begrüßte die Stunde, da der Heiland am Schluss seiner irdischen Mission zu den himmlischen Höhen aufstieg. Als ein mächtiger Eroberer nahm er seinen Flug aufwärts, und die Menge der Gefangenen, welche er vom Tode auferweckt hatte, zur Zeit als er aus dem Grabe hervorkam, folgte ihm. Mit Gesängen der Freude und des Triumphes begleiteten ihn die himmlischen Scharen aufwärts. An den Toren der Stadt Gottes erwartete eine unzählbare Menge von Engeln sein Kommen. Als sie sich den Toren der Stadt näherten, begrüßten die Engel, welche die Majestät des Himmels begleiteten, die an den Pforten wartenden Engel in jubelnden Tönen: “Erhebet eure Häupter, ihr Tore, und werdet erhöht, ihr ewigen Pforten, daß der König der Ehren einzieht.” (Ps. 24,7-10 > Grundtext und Zürcher Übersetzung <)

Die an den Toren der Stadt wartenden Engel fragen voller Begeisterung: “Wer ist derselbe König der Ehren?” Mit Triumphgesängen erwidern freudig die begleitenden Engel: “Es ist der Herr, der Starke und Mächtige, der Herr, der Mächtige im Streit. Erhebet eure Häupter, ihre Tore, und werdet erhöhet, ihr ewigen Pforten, daß der König der Ehren einziehe.” Wiederum fragen die wartenden Engel: “Wer ist derselbe König der Ehren?” Und die begleitenden Engel antworten in melodischen Tönen: “Es ist der Herr der Heerscharen, derselbe ist der König der Ehren.” Dann werden die Tore der Stadt Gottes weit aufgewacht, und der himmlische Triumphzug bewegt sich hinein unter dem Schalle der Engelsmusik. Alle die himmlischen Scharen umgeben ihren majestätischen Gebieter, da er seinen Platz auf dem Throne des Vaters einnimmt.

Der Heiland stellt die Gefangenen vor, welche er von den Banden des Todes befreit hat mit dem Preise seines eigenen Lebens. Seine Hände setzen unvergängliche Kronen auf ihre Stirnen: denn sie sind Vertreter und Muster von jenen, welche erlöst werden sollen durch das Blut Christi, unter allen Nationen, Zungen und Völkern, die da auferstehen sollen vom Tode, wenn er bei seiner Wiederkunft die Gerechten aus ihren Gräbern hervorrufen wird. Dann werden sie die Wundmale von Golgatha an dem verherrlichten Körper des Sohnes Gottes sehen. Ihre größte Freude werden sie in der Gegenwart dessen finden, der auf dem Throne sitzt; und die entzückten Heiligen werden ausrufen: Mein Geliebter ist mein, ich bin sein: er ist “auserkoren unter vielen Tausenden” und über alles liebliche!

Mit der tiefsten Freude und Anbetung neigen sich die Scharen der Engel vor ihm, während der helle Jubelruf durch die Himmel ertönt: Das Lamm, das erwürget ist, ist würdig zu nehmen Kraft, Reichtum, Weisheit, Stärke, Ehre, Preis und Lob. Triumphgesänge mischen sich mit der Musik der Engelsharfen, bis der Himmel von Freude und Lob zu überfließen scheint. Der Sohn Gottes hat triumphiert über den Fürsten der Finsternis, und den Tod und das Grab überwunden. Der Himmel erschallt von Stimmen, die in erhabenen Akkorden verkünden: “Dem, der auf dem Stuhle sitzt, und dem Lamm sei Lob, und Ehr, und Preis, und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit!”

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