Konkurrenz für Sonntagskirchen



Wenn Kirchen sonntags Konkurrenz bekommen
 

Von Olaf Storbeck
 

Schon in der Bibel steht, dass am siebten Tag geruht werden soll. * Und bis heute argumentieren die Kirchen, dass der Sonntag arbeitsfrei bleiben sollte. Reiner Selbstzweck, sagen nun amerikanische Ökonomen. Den Kirchen gehe es nicht um Gottesdienste, sondern ums Geld.

DÜSSELDORF. "Gott sei Dank, es ist Sonntag" - unter diesem Motto läuft derzeit eine Kampagne der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum Erhalt der Sonntagsruhe. "Menschen leben nicht nur von der Arbeit", argumentiert die EKD. "Sie brauchen auch Zeit zum Feiern. Für Christen ist das der Sonntag. Dann feiern sie Gottesdienst und hören auf Gottes Wort."

Tatsächlich geht es in den Debatten über einen arbeitsfreien Sonntag aber um mehr als einen Tag zum Feiern. Es geht auch um das Eigeninteresse der Kirchen, und es geht ums Geld. Zu diesem Ergebnis kommt eine jetzt veröffentlichte Studie von zwei US-Ökonomen. Am Beispiel der Vereinigten Staaten zeigen die Autoren: Wird der Sonntag zu einem normalen Tag, gehen weniger Menschen in die Messe, und die Spendeneinnahmen der Kirchen sinken. "Weltliche Konkurrenz spielt eine wichtige Rolle für das religiöse Verhalten", lautet das Fazit der Untersuchung. Letztlich stünden die Kirchen in direktem Wettbewerb mit Kaufhäusern - beide buhlen nach Ansicht der Wissenschaftler um Zeit und Geld der anderen Menschen.

Für Christen mag die Studie wie Blasphemie klingen. Doch so ist sie nicht gemeint. Tatsächlich hat eine religionsnahe Stiftung die Untersuchung mitfinanziert, und einer der Autoren arbeitet an einer katholischen Universität: Daniel Hungerman von der University of Notre Dame im US-Bundesstaat Indiana.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Jonathan Gruber vom MIT nutzt er in der Untersuchung aus, dass die Sonntagsruhe in verschiedenen amerikanischen Bundesstaaten seit den sechziger Jahren zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgehoben wurde. Die Ökonomen konzentrieren sich dabei auf 16 Bundesstaaten: Zehn von ihnen haben zwischen 1973 und 1998 ihre Gesetze zur Sonntagsruhe - die sogenannten "blue laws" - auf einen Schlag abgeschafft. In den sechs anderen Staaten änderte sich die Rechtslage im Betrachtungszeitraum nicht, sie fungieren als Kontrollgruppe.

Gruber und Hungerman stellen fest: Wenn in einem Bundesstaat der Sonntag nicht mehr heilig ist, gehen dort viele Menschen seltener in die Kirche. Das gilt nicht für eingefleischte Kirchgänger, die mehrfach in der Woche zum Gottesdienst gehen. Und auch nicht für die, die das nie tun. Wer seine Gewohnheiten aber ändert, sind die Menschen, die zwischen diesen beiden Extremen stehen. "Die Aufhebung der Sonntagsruhe bringt gelegentliche Kirchgänger nicht dazu, ihre Gottesdienstbesuche komplett einzustellen, diese Menschen besuchen die Gottesdienste danach aber seltener", schreiben die Forscher.

Ein ähnliches Muster stellen Gruber und Hungerman für Spenden an christliche Kirchen fest. In Bundesstaaten, die den Sonntag zu einem regulären Arbeitstag machten, sanken danach die Geldzuwendungen für die Kirchen deutlich - gleichzeitig stiegen die Spenden an andere, nicht religiöse Wohlfahrtsorganisationen.

Aber was ist bei diesen Beobachtungen Ursache und was Wirkung? Denkbar wäre schließlich auch, dass der staatliche Schutz des Sonntags dort aufgehoben wurde, wo sich die Menschen schon vorher von der Kirche abgewendet hatten - oder dass die Menschen sich aus anderen Gründen, die nichts mit der Sonntagsruhe zu tun haben, stärker ins Private zurückziehen.

Die Forscher klopfen auch diese alternativen Erklärungen ab. So gibt es keine Indizien, dass es in den fraglichen Bundesstaaten, die sich gegen die Sonntagsruhe entschieden, schon vorher einen Trend hin zu weniger Kirchenbesuchen gab. Das Ende der sonntäglichen Sonderregel beeinflusst zudem nur das kirchliche Engagement, nicht andere gesellschaftliche Aktivitäten.

Die Wissenschaftler erklären das Phänomen so: Wer auch sonntags arbeiten und einkaufen darf, der bekommt mehr Alternativen zum Gottesdienst. Im Fachjargon der Ökonomen ausgedrückt: Die Opportunitätskosten des Kirchenbesuchs steigen - wer sonntags zur Messe geht, muss plötzlich auf Aktivitäten verzichten, die früher nicht zur Auswahl standen. "Weltliche Formen der Freizeitgestaltung stehen in direktem Wettbewerb mit religiösen - sowohl mit Blick auf zeitliche als auch auf finanzielle Ressourcen", schreiben die Forscher.

Möglicherweise kann die Aufhebung der Sonntagsruhe daher negative gesellschaftliche Folgen haben. Denn andere Studien deuten darauf hin, dass religiös engagierte Menschen nicht so stark zu risikoreichem Verhalten wie Drogenkonsum neigen. Dafür finden Gruber und Hungerman tatsächlich Indizien. In Bundesstaaten, die sich gegen die Sonntagsruhe entscheiden, konsumieren junge Leute nachher spürbar mehr Alkohol, Haschisch und Kokain. Bemerkenswert dabei ist: Wer vorher nicht in die Kirche gegangen ist, bei dem ändert sich nachher der Drogenkonsum nicht - für ihn werden Kirchenbesuche durch die Abschaffung des Sonntags als reiner Feiertag im Vergleich zu anderen Tätigkeiten nicht attraktiver.

Anders sieht die Sache aber für junge Leute aus, die gelegentlich zum Gottesdienst gingen, solange die Sonntagsruhe galt. Für diese steigen die Opportunitätskosten des Kirchgangs - und nur sie greifen nachher öfter zur Flasche oder zu illegalen Drogen.

http://www.handelsblatt.com/news/Default.aspx?_p=302030&_t=ft&_b=1443983
18. Juni 2008

* Anmerkung der Sonntag ist der erste Tag der Woche so sagt die Bibel! Der Sabbat der Samstag is der siebte Tag und nicht der Sonntag!!

 

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